ChatGPT bei wissenschaftlichen Arbeiten?

Das Erstellen von Texten ist ein wesentlicher Treiber der menschlichen Entwicklung und hat über tausende Jahre mehrere Stufen überwunden. Letztlich waren es aber immer nur Werkzeuge – stets lag und liegt es an intelligenten, gebildeten und analytisch denkenden Menschen, diese Techniken mit entsprechender Übung zu erlernen und beherrschen. Vor allem bei ChatGPT und Co bestätigt sich diese Einschätzung wiederum aufs Neue.

ChatGPT ist das Ergebnis Jahrtausende langer Evolution des Schreibens.

Die Möglichkeiten mit ChatGPT und Co für die Textverarbeitung sind der bisherige Gipfel des Schreibens in einer mehrere Tauschend Jahre andauernden „Evolution“. Mit der Keilschrift (ca. 3.200 v. Chr.) wurde in Mesopotamien eines frühesten Schriftsysteme geschaffen. Seither entwickelten sich die Werkzeuge des Schreibens über die alphabetische Schrift (ca. 1.500 v. Chr.) als Basis für die modernen Schriftsysteme über die Griechische und Römische Schrift (ca. 800 v. Chr. – 500 n. Chr.) weiter. Während im Mittelalter handgeschriebene Bücher mühsam in Klöstern erstellt wurden, revolutierierte der Buchdruck (ca. 1.450 n. Chr) die Verbreitung von Wissen, bis mit Schreibmaschine (ca. 1.860 n. Chr.) das erste, gut erlernbare mechanische Gerät zum Schreiben das Schreiben und Erstellen von Dokumenten beschleunigte. Über 100 Jahre dauerte es, bis der Computer und die digitale Schrift (ca. 1970 n. Chr. bis heute) und die Einführung von Textverarbeitungssoftware und digitalen Kommunikationsmethoden das Schreiben weiter transformierten.

Evolution des Wissenschaftlichen Schreibens: Von der Handschrift zur KI-gestützten Spracheingabe

Im Jahr 1992 habe ich meine erste wissenschaftliche Arbeit geschrieben, damals noch mit der Schreibmaschine und oft in der Bibliothek der Wirtschaftsuni Wien. Nach und nach haben die digitalen Technologien den Arbeitsalltag verändert, nach einer kurzen Phase der halbelektronischen Schreibmaschine mit Tippfehler-Korrektur kam ein entscheidender Durchbruch, indem PCs auch für Studierende leistbar wurden. Vor allem der Siegeszug des Internets ab 1995 eröffnete für das Recherchieren neue Dimensionen.

In dieser Euphorie begannen viele, Texte aus dem Internet zu kopieren und in ihre Arbeiten einzubauen – und einige haben das später bitte bereut, als diese Plagiate mit intelligenten Scan-Programmen leicht identifiziert werden konnten. Dennoch, auch für jene, die ihre Texte nun selbst verfassten, wurdest durchwegs einfacher, vor allem als Google eine besonders leistungsfähige Suchmaschine ihren Siegeszug antrat. Wesentliche Fortschritte brachten die immer besser zugänglichen wissenschaftlichen Datenbanken, elektronische Publikationen von statistischen Ämtern und seriösen Organisationen sowie Google Books. Doch es blieb auch weiterhin die Aufgabe der Studierenden, bei der Recherche zu bewerten, welche Inhalte im Sinne der Fragestellung zielführend sind – und wieweit die Qualität den Ansprüchen entspricht.

Vor allem mit der KI-gestützten Spracheingabe kam ein weiterer Fortschritt: Vor allem jene, die eine hohe Begabung beim formulieren von Texten haben, profitieren von dieser Möglichkeit, in dem sie ohne Zehn-Finger-Technik zügig ihre Texte produzieren können. Hinzu kommen die vielfältigen Möglichkeiten von Übersetzungsalgorithmen bzw. -plattformen, welche die Arbeit erheblich erleichtern, jedoch Vorsicht: Auch diese Texte müssen präzise editiert und überarbeitet werden, um letztlich dem hohen wissenschaftlichen Anspruch zu genügen.

Quantensprung in der Wissenschaft? Large Language Models und ihre Grenzen

Mit Large Language Models (LLM) wie ChatGPT wurden neue Möglichkeiten eröffnet, die seither intensiv diskutiert werden. Einfache Arbeiten lassen sich dabei bereits einigermaßen gut umsetzen – wiederum zeigt sich jedoch, dass der Mensch als „Meta-Intelligenz“ darüber stehen muss, um ein brauchbares Ergebnis zu erzielen. Da ich selber schon einige Studien zu diesem Thema verfasst habe, kenne ich vor allem die Unzulänglichkeiten diese KI-Anwendungen:

  • Fehlende Originalität: ChatGPT und ähnliche KI-Werkzeuge können keine originären Forschungsideen oder Hypothesen generieren, sondern „plappern“ im Grunde nur Bestehendes in kleinen, unzusammenhängenden Texteinheiten nach.
  • Quellenvalidität: ChatGPT kann nicht zuverlässig aus Primärquellen zitieren und kann keine aktuellen, verifizierbaren Quellen bereitstellen – einer der wichtigsten Aspekte des wissenschaftlichen Arbeitens.
  • Kritische Analytik: ChatGPT besitzt keinerlei Fähigkeit, aktiv zu denken, kritische Analysen und Interpretationen durchzuführen. Die Ergebnisse beruhen auf einem im Grunde banalen Wahrscheinlichkeitsprinzip und sind zum Teil völliger Unsinn.
  • Ethische Aspekte: ChatGPT berücksichtigt keinerlei ethische Richtlinien für Forschung, ist völlig befreit von jeglicher Empathie, von echtem Problem- und Lösungsverständnis.
  • Plagiatsrisiko: Bei ChatGPT besteht die Gefahr von Plagiaten, da es nur bereits vorhandenes Wissen wiedergibt und kein neues Wissen generiert.
  • Kontextverständnis: Es fehlt das Verständnis für komplexe wissenschaftliche Konzepte und Zusammenhänge. Vieles klingt zwar vordergründig wissenschaftlich, ist aber letztlich falsch und erbringt keine neuen Erkenntnisse. 

Somit zeigt sich also, dass mit ChatGPT zwar ein äußerst leistungsfähiges, aber dennoch nur weiteres Werkzeug geschaffen wurde, dass es den Studierenden etwas leichter macht, ihre Arbeiten zu erstellen. Die wichtigste Erkenntnis ist jedoch, dass weiterhin der Mensch über allem stehen muss – wie der Chefredakteur in einer großen seriösen Zeitungsredaktion muss alle Beiträge, die er von seinen Mitarbeitenden erhält zu 100 % auf ihre Validität überprüfen: Check, Re-Check, Doublecheck heißt auch weiterhin die Devise.

KI und Wissenschaft: Gute neue Werkzeuge für Geübte und Engagierte

Was jedoch, wie bei allen anderen brauchbaren Technologien gilt ist, dass sie „gekommen sind, um zu bleiben“. Während die einen im Umgang damit scheitern werden, tun sich für engagierte User mit viel Übung interessante Anwendungsmöglichkeiten für dass wissenschaftliche Arbeiten auf. Doch, wie auch bei einem Musikinstrument lässt sich der professionelle Umgang nicht von heute auf morgen erlernen. Das gilt auch für andere Tools, wie Grammarly (verbessert die Grammatik, Rechtschreibung und den Stil von Texten), EndNote (für die Verwaltung von Exzerpten und Zitierungen), Mendeley (Referenzmanager und soziales Netzwerk für Forschende), Zotero (Tool zur Verwaltung und Teilen von Forschungsquellen), Quillbot (KI-gestütztes Paraphrasierungswerkzeug) oder Jasper (KI-Schreibassistentin, die beim Erstellen von Inhalten und Blogposts unterstützt).

Wie auch bisher, wird die Wissenschaft auf diese Möglichkeiten reagieren und ihre Standards entsprechend anpassen. Bereits heute gibt es vielfältige Problemstellungen, die nur von hoch qualifizierten Menschen bearbeitet und letztlich gelöst werden können.

Wenn Sie Fragen haben oder Unterstützung beim Umgang mit ChatGPT und Co bei wissenschaftlichen Arbeiten brauchen, rufen Sie mich unter +43 664 1054478 an oder schreiben Sie mir eine E-Mail an dr@ulrich.or.at. Ich helfe gerne!